Eidgenössisches Trachtenfest Zürich

Erlebnisbericht Sonntag 30.06.2024

Es ist Sonntagmorgen, ich stehe in meiner Gotthelftracht am Bahnhof Thun und warte auf den Zug nach Zürich. Wider Erwarten treffe ich absolut keine anderen Trachtenleute an. Ich erhalte Komplimente von Passanten, manche stellen Fragen zu meiner Tracht. Andere riskieren bloss einen verstohlenen Blick auf meine Aufmachung. Was sie sich wohl dabei denken?

Die Zugfahrt vergeht wie im Fluge. Jetzt nur noch die Treppen hoch vom Perron und ich stehe mitten im Trachtenfest. Nun mangelt es nicht mehr an anderen Trachtenträgerinnen und -trägern. Nachdem ich mich am Hauptbahnhof etwas umgesehen und eingestimmt habe, besuche ich das Trachten-Fotostudio von Remo Buess. Wie ich schnell merke, bin ich nicht die einzige mit diesem Vorhaben und mache mich schon mal auf eine längere Anstehphase gefasst. Wie gut, dass aus der Schlange die Sicht zur Bühne frei ist. So ist für optimale Unterhaltung durch Gesang und Tanz gesorgt.

Nun bin ich an der Reihe. «Hallo, bitte gleich hierhin stellen - Kopf bitte etwas neigen - so ist schon zu viel – jetzt ist’s perfekt - nun den Blick bitte in die Kamera zu mir – die Lippen schliessen – Moment, bleib gerade noch so, ich will noch ein Ganzkörperbild – super danke und einen schönen Tag – der nächste bitte.» So lauten die speditiven Anweisungen von Remo Buess und die Bilder sind im Kasten.

Jetzt wage ich mich als Berner Landei raus aus dem Bahnhofgebäude, rein in die grosse Stadt. Ich schlendere der Limmat entlang bis zum Bürkliplatz. Dabei fallen die ersten Regentropfen. Der Schauer ist allerdings von sehr kurzer Dauer und ich hoffe fest, dass es bei diesen wenigen Tropfen bleibt. Ich vergnüge mich eine ganze Weile auf dem Brauchtumsmarkt. Fasziniert von den verschiedenen Handwerkstechniken besuche ich die Kantonshäuschen. Die Reise durch die verschiedenen Kantone entpuppt sich als regelrechten Apéro-Spaziergang durch die Schweiz.

Um die Mittagszeit kann ich mir einen der raren Sitzplätze im Festzelt ergattern. Beim Warten auf meine Älplermagronen habe ich genügend Zeit, mich mit meinen Tischnachbarn zu unterhalten und neue Bekanntschaften zu schliessen.

Nun ist es bereits halb zwei geworden und ich begebe mich auf die Suche nach meinem Sitzplatz für den Umzug – der befindet sich exakt in der gegenüberliegenden Ecke der Umzugsroute. Also ist ein Verdauungsspaziergang angesagt.
Endlich ist es so weit, der Festumzug kommt ins Rollen. Obwohl ich bereits am Vormittag von der riesigen Trachtenvielfalt der Schweiz in den Bann gezogen wurde, kann nichts den riesigen Umzug toppen. Rund 5000 Menschen repräsentieren die unterschiedlichsten Trachten und das Brauchtum der Schweiz sowie einiger Gastländer. Die kleinen und manchmal grösseren Lücken zwischen den einzelnen Bildern schätze ich, so kann ich die Eindrücke in Ruhe auf mich wirken lassen. Nach einem kurzen Regenschauer sind alle froh, als die Sonne die Wolken wieder durchbricht und die wunderbaren Trachten nicht unter den Pelerinen verschwinden müssen.
Mit einem bunten Blumenstrauss an Eindrücken im Kopf spaziere ich noch einmal von Festplatz zu Festplatz. Es herrscht eine friedliche Stimmung. Manche Festbesucher sitzen etwas abseits und geniessen den Ausklang des Festes. Andere tanzen und singen noch voller Eifer, wenn auch mittlerweile die Frisur nicht mehr ganz sitzt oder die Schuhe ausgetauscht werden. Dankbarkeit macht sich breit, Dankbarkeit für ein einmaliges Fest mit Wetterglück, wie es im Sommer 2024 niemand zu erwarten gewagt hat. Als ich mich zurück zum Hauptbahnhof begebe, muss ich der Putzkraft beim Toilettenwagen noch ein Kränzchen winden. Sonntagabend, nach drei Tagen Hochbetrieb, ist der Toilettenwagen immer noch auf Vordermann.
Mit vielen Fotos auf der Speicherkarte, einem Rucksack voller Erinnerungen und etwas schmerzenden Füssen steige ich zufrieden in den Zug Richtung Berner Oberland. Trotz der wunderbaren, beinahe unendlichen Trachtenvielfalt bin ich dankbar, ein «Bärner Meitschi» zu sein – sind doch unsere Berner Trachten immer noch die Schönsten!

Text und Bilder: Romina Müller

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